Rißtissen: Vergangenheit und Geschichte
Rißtissen wurde 838 als Tussa erstmals erwähnt. Der Zusatz „Riß“ wurde erst später beigefügt. Im 13. Jahrhundert nannte sich ein Adelsgeschlecht nach dem Ort. Über die Fülhin von Tissen, die Grafen von Berg und die Herren von Landau kam der Ort 1419 an Ulmer Bürger und schließlich im 16. Jahrhundert an die Herren von Stotzingen, von Schellenberg, von Schienen und von Laubenberg. Schließlich gelangte es meist durch Heirat an die Schenken von Stauffenberg, deren Schloss vom Ende des 18. Jahrhunderts vermutlich auf dem Gelände einer früheren Burg erbaut wurde. Der ritterschaftliche Ort kam ebenfalls 1805 an Württemberg.
und im Rißtissen liegt in der Bundesrepublik Deutschland, im Lande Baden-Württemberg,im Regierungsbezirk TübingenAlb-Donau-Kreis. Es befindet sich zwei Kilometer südlich der Mündung der Riß in die Donau auf einer Höhe von 490 bis 504 m ü. NN. Es erstreckt sich über eine Fläche von 12,1 km² und beheimatet 1.225 Einwohner.
1975 wurde die bis dahin selbständige Gemeinde im Zuge der kommunalen Gebietsreform auf einstimmigen Beschluss des Rißtisser Gemeinderates von der Stadt Ehingen (Donau) eingemeindet und ist seither ein Ortsteil von Ehingen.
Die meisten Ehinger Stadtteile gelangten wie Ehingen selbst an Österreich, kamen 1805 aber an Württemberg und wurden dann meist dem Oberamt Ehingen unterstellt.
Rißtissen ist eine 12 km südöstlich vom Stadtkern Ehingens gelegene Exklave. Es grenzt im Uhrzeigersinn an die Gemarkungen Öpfingen, Erbach-Ersingen, Achstetten, Laupheim, Untersulmetingen und Griesingen, jedoch an keiner Stelle an das Kerngebiet von Ehingen.
Römische Falschmünzerwerkstatt in Rißtissen um 222 n. Chr.
Beim Bau eines Hauses im Vicusbereich wurden um 1920 vom damaligen Schloßgärtner Schwarz eine große Zahl alter Münzen gefunden. Es handelt sich um römische Denare mit den Bildnissen der Kaiser Septimius Severus, Caracalla, Diadumenianus und Elagabal. Am gleichen Ort fanden sich über dreihundert Tonformen mit deren Hilfe diese Münzen um 220 n. Chr. gegossen worden waren. Es ist nicht geklärt, ob es sich dabei um Falschmünzerei oder um eine von der Obrigkeit in der Provinzhauptstadt Augsburg/Augusta Vindelicorum angeordnete legale Notmaßnahme gehandelt hat. Zwar hatte Caracalla im Jahre 213 n. Chr. durch seinen persönlichen Besuch die Situation am Limes noch einmal vorübergehend stabilisieren können, dennoch waren die Verhältnisse durch die Raubzüge der Alamannen unsicherer geworden und Geldtransporte aus Italien erreichten den Norden des Reiches nicht mehr zuverlässig. Einige Gußformen aus Ton und „Falschmünzen“ befinden sich heute im Römermuseum in der Volksschule.
Mittelalter
Merowinger- und Karolingerzeit
Die Funde aus dem südwestlich des Wasserturms entdeckten alemannischen Gräberfeld aus dem 7. Jahrhundert lassen vermuten, dass sich erste alemannisch-germanische Siedler kurz nach 500 n. Chr niederließen. Neuen Aufschwung brachte für diese kleine, bäuerliche Siedlung der Entschluss Karls des Großen die heruntergekommenen, ehemals römischen Fernstraßen, darunter auch die Donausüdstraße im frühen 9. Jahrhundert zu erneuern. Nur wenige Jahre nach Karls Tod wurde Rißtissen am 20. Mai 838 als „Tussa“ zum ersten Mal in einer Urkunde der Abtei St. Gallen schriftlich erwähnt. Aus dieser Urkunde erfahren wir, dass „Tussa“ in der Ruadolhuntare (Huntare) lag, die wiederum zur Albuinesbaar (wohl der Munderkinger Baar) gehörte. In der gleichen Urkunde wird eine schon damals dem heiligen Pankratius, († 305 n. Chr.) geweihte, vermutlich erste christliche „Tussener“ Kirche erwähnt.
Jakobsweg
Seit dieser Zeit liegt Rißtissen bis auf den heutigen Tag an einem wichtigen süddeutschen Abschnitt des Jakobsweges. Der Jakobsweg ist der mittelalterlich-historische Pilgerweg zum sagenhaften Grab des Apostels Jakobus des Älteren in Santiago de Compostela in Spanien. Schon im Mittelalter führte der Fernwanderweg von Nürnberg nach Konstanz mitten durch den Ort. Tussa, das später zur Unterscheidung von einem anderen, ebenfalls „Tussa“ genannten Ort an der Iller (heute Illertissen) „Rißdissa“ und dann Rißtissen genannt wurde, war eine bedeutende Pilger-Raststation. Heute wird dieser historische grenzüberschreitende Weg wieder neu beschrieben und im Zuge der europäischen Einigung durch internationale Wegzeichen von Ulm her über Oberdischingen und dann weiter von Rißtissen über Biberach an der Riß nach Konstanz durch verschiedene Organisationen sowohl markiert als auch rege begangen.
Herrschaft Rißtissen
Im Hochmittelalter gehörte Tussa den mächtigen, später ausgestorbenen Geschlecht der Grafen von Berg. Ihr Dienstmann in Tussa, Diethelm von Tussin wird 1127 im Stiftungsbrief eines Benediktinerinnenklosters als Zeuge benannt. Der erste Ortsgeistliche von dem wir aus Urkunden (7. September 1322) namentlich erfahren war „der Pfaff Heinrich Fulhin“. 1353 gab es in Dissa 72 Haushalte. Mit der gesamten Herrschaft der Grafen von Berg gelangte Tissen 1343 an die Habsburger und gehörte damit zu Vorderösterreich. Das Haus Habsburg hatte Teile der Grafschaft Berg, darunter Rißtissen gegen Entgelt unter Vorbehalt der Oberherrschaft zu Lehen an Dritte vergeben oder verpfändet. Konrad von Landau verkaufte 1419 seinen Anteil an Rißtissen an Ulmer Bürger. 1455 erwarb Hans von Stotzingen fünf Sechstel der Rechte an der Herrschaft Rißtissen von den Bürgern der freien Reichsstadt Ulm. Die Stotzinger stifteten 1483 den von Jakob Acker der Jüngere gemalten Altar, heute in der Leonhardskapelle. Durch die Erbtochter Crescentia von Stotzingen († 1550) kam das Dorf durch Heirat zu fünf Sechsteln an die Familie der Freiherren von Laubenberg. Bis auf zwei Höfe, die weiterhin Ulmer Hintersaßen blieben kauften die Laubenbergs 1593 den noch ausstehenden Rest der Herrschaft Ulrich von Schienen zu Gamerschwang ab.
17. Jahrhundert
1613 erwarb der habsburgische Pfleger (etwa: Landvogt) von Ehingen, Munderkingen und Berg und gleichzeitig Herr auf Wilflingen, Hans Christof Schenk von Stauffenberg (†1638 Ulm) das Dorf. Er hatte zunächst die Laubenberg’sche Witwe Barbara von Essendorf (†1612 Rißtissen) und nach ihrem Tode die ebenfalls von einem Laubenberg verwitwete Maria Freifrau von Laubenberg († 1632 Ulm) geehelicht. Hans Christof erwarb eine Hälfte Rißtissens durch diese Heirat. Die andere Hälfte musste er seiner schlauen Frau Marie vor der Hochzeit 1614 zur Absicherung ihres Alters abkaufen, aber noch nicht bezahlen. Da Hans Christof seine Frau Marie um sechs Jahre überlebte fiel die Forderung aus dem Kaufvertrag teilweise an Marias Laubenberg’sche Erben. Die Stauffenberg’schen Erben des Hans Christof bezahlten diese nach der wirtschaftlichen Katastrophe und Deflation des Dreißigjährigen Krieges besonders drückende Schuld über viele Jahrzehnte ab.
1630, während des dreißigjährigen Krieges (1618–1648) wurde Rißtissen von den Schweden besetzt, zerstört und 1633 in einem Zuge mit Ehingen und Wilflingen an Friedrich Ludwig Chanofski von Langendorf, einem Spross der heute ausgestorbenen, aus Südböhmen stammenden ritterlichen Familie Chanowsky vorübergehend übertragen. Nach dem als Folge der Niederlage bei Nördlingen erfolgten Abzug der Schweden aus Süddeutschland fiel Rißtissen 1634 an den Stauffenberger zurück. Der katholische Hans Christoph war mit seiner Frau kurz vor dem Einmarsch der protestantischen Schweden bis zu seinem Tode als kaiserlicher Rat (etwa Botschafter des Kaisers) in die protestantische, stark befestigte und verhältnismäßig sichere freie Reichsstadt Ulm gezogen. Da beide Ehen zwischen Hans Christof und den Laubenberger Witwen kinderlos blieben, fiel Rißtissen nach seinem Tod 1638 an seinen Neffen Hans Jakob Schenk von Stauffenberg (* 1614; † 1674 Rißtissen). Hans Jakob hatte die Kriegszeit mit seiner Familie in der freien Reichsstadt Biberach überlebt. Nach dem westfälischen Frieden zog er 1649 in das verödete und zerstörte Rißtissen. Gerade noch 68 Seelen sollen damals dort gelebt haben. Er verkaufte daher 1656 sein Gut Rusenberg und finanzierte damit die Ansiedlung von Bauern überwiegend aus Tirol und Vorarlberg.
Anekdotisch wird über Streitigkeiten zwischen der katholischen Herrschaft der Schenken und einer ulmischen Bauernfamilie Meister oder Maister in Rißtissen berichtet: Als 1615, Anna, die Tochter des in Rißtissen lebenden Ulmer Hintersaßen Georg Maister das Osterlied „Christus ist erstanden“ vielleicht aus geheimer protestantischer Gesinnung nicht mitsingen wollte, ließ Hans Christof sie durch seine Beamten im „ulmischen Hof“ (heute vermutlich der Hof des sog. „Ulmbauers“ in der Ulmbauergasse) „annehmen“ (verhaften) und „in die Geigen schlagen“ (den Hintern versohlen). Das löste einen Prozess mit den Baupflegern des Ulmer Münsters aus. Hans Christof musste sich 1617 mit den Ulmern vergleichen. Sein Neffe Hans Jakob bekam 34 Jahre später ähnlichen Ärger, weil er den Bauern Hans Meister, vermutlich den damaligen „Ulmbauern“ und möglicherweise den Bruder der Anna Meister, jedenfalls einem „Niedergerichtsuntertan der Ulmer Kirchenbaustiftung“ 1649 unbefugt davon abgehalten hatte die Gehölze am Bach am Stauffenberg’schen Garten abzuschlagen. Die Ulmer klagten.
Aus der Epoche der Stotzinger, der ausgestorbenen Laubenberger und des ersten Schenken (1455 bis 1650) stammen die in die Sakristeiaußenwand der Pfarrkirche eingelassenen Grabsteine.
19. Jahrhundert
Aus Anlass der Schlacht von Elchingen im Herbst 1805 kampierten napoleonische Truppen in Rißtissen. Sie brannten mehrere Bauernhöfe und die Stallungen des damals neuen Schlosses nieder. Die französischen Offiziere waren im Schloss und in den Kavaliershäusern einquartiert. Das bewahrte die Hauptgebäude vermutlich vor dem Schicksal der Stallungen. Der 1834 in Rißtissen geborene Franz August Schenk von Stauffenberg war Abgeordneter und Präsident des bayerischen Landtags in München und ab 1871 Reichstagsabgeordneter und Vizepräsident des Reichstages in Berlin. 1884 war er einer der Mitbegründer der liberalen Deutschen Freisinnigen Partei und damit einer der Gegenspieler Otto von Bismarcks. Er starb 1901 in Rißtissen
20. Jahrhundert
Während des zweiten Weltkrieges befand sich im Osten des Ortes, südlich der Straße nach Ersingen ein militärischer Behelfsflughafen (Einsatzhafen II. Ordnung). Im September 1938 war mit den Bauarbeiten begonnen worden, zu Kriegsbeginn war der Flugplatz dann bedingt einsatzbereit. Am östlichen Ortsrand von Rißtissen war eine Flakbatterie mit vier 8,8-cm-Flugabwehrkanonen und mit den dazugehörigen Flakscheinwerfern in Stellung gebracht worden. Die Unterkünfte befanden sich zum Teil im Schloss Rißtissen, aber überwiegend in Ersingen. Kurz vor Kriegsende, am 18. April 1945 wurde der Platz von 72 Bombern des Typs Martin B-26 „Marauder“ der französischen Luftwaffe angegriffen. Die wenigen nach diesem Splitterbombenangriff noch flugtauglich gebliebenen Jagdflugzeuge vom Typ Bf 109 G/K der zweiten Gruppe des deutschen Jagdgeschwaders 53 „Pik As“ (II. JG 53) (www.cieldegloire.com) unter dem Gruppenkommandeur Major Julius Meining wurden buchstäblich in letzter Minute am 20. April 1945, dem Tag des Einmarsches der französischen Truppen in Rißtissen nach Schongau verlegt. Eine Woche später wurde die Einheit aufgelöst. Zu den Jagdfliegern dieser Gruppe zählte auch das Fliegerass Olt. Herbert Rollwaage mit 71 bestätigten Abschüssen. Heute erinnert außer einigen stark beschädigten und verwitterten Betonfundamenten im „Löcherwald“ nichts mehr an diesen Flugplatz. Nach Kriegsende im Mai 1945 war Rißtissen der
französischen Besatzugszone zugeteilt. Wiederum, wie vor der Schlacht von Elchingen (1805) hatten französische Offiziere das Schloss in Rißtissen als Unterkunft und Messe ausgewählt. Nach Ende des zweiten Weltkrieges wurden 1947 Vertriebene aus dem damaligen West- und Ostpreußen in Rißtissen aufgenommen. Einige dieser Familien wurden im Schloss untergebracht. Zu ihnen zählte die Familie des Landwirts Johannes Wiens aus Altfelde, Kreis Marienburg im damaligen Westpreußen (heute Polen). Er hat 1952 schriftlich über seine am 23. Januar 1945 in Altfelde begonnene Flucht vor der roten Armee berichtet. Sein Fluchtbericht endet 1947 in Rißtissen
Quelle: Artikel zusammengestellt aus Wikipedia.de 23.10.07 00:10